Plattenkritik: Nala Sinephro – Endlessness (Warp)Einmal zum Ende, das es gar nicht gibt

Nala Sinephro – Endlessness Cover

Das One-Way-Ticket ist gebucht.

Eigentlich wollte ich diese Woche erst etwas über das neue Album von Jamie xx schreiben. Das wäre aber dann eine bissig gelangweilte Rezension geworden. Mit so was wie „TikTok-Rave für arrivierte Millennials“, „Clubmusik in Zeiten der toten Clubs“, EDM-Filterhouse. Irgendwie so etwas. Egal. Lassen wir den Feuilletonismus beiseite. Das zweite Album von Nala Sinephro berührt mich nämlich anders: emotional, mit Fantasie und liebevoll.

Bereits das erste Album „Space 1.8“ war ein eskapistischer Trip ins All, schwerelos, im luftleeren Raum, auch wenn es da eigentlich keine Musik geben dürfte. Herr Cornils sagte dazu: „Das ist doch allemal Jazz für Leute, die keine Ahnung von Jazz haben! Nur auf die gute Art.“ So kann man das auch bezeichnen.

„Endlessness“ schreibt die galaktischen Assoziationen vom Debüt weiter. Eine Astronautin schwebt auf dem Cover gravitationslos zwischen Sternen, sieht dabei aber relaxt aus, so als würde sie eine gute Zeit haben. Vielleicht sogar eine Epiphanie. Die Dynamik des Albums funktioniert wie ein schwerer aber befreiender Sog. Die Songs sind von Continuum 1 bis 10 durchnummeriert. Mäandernde Synthesizer-Arpeggien geben so etwas wie ein verspultes Gerüst, man taucht sofort in „Endlessness“ ein. Eine retrofuturistische Reise ins Ich und die Weiten des Universums. Klingt spirituell und ist es auch. Die karibisch-belgische Künstlerin ist nicht nur eine virtuose Harfenistin und Synthesizer-Spielerin, sie ist auch Produzentin und Tontechnikerin. Das hört man im Gesamtergebnis, nicht nur weil es exzellent und organisch klingt, sondern auch konsistent auftritt. Es gibt Musiker:innen, die mit ihren Soundscapes ganz eigenen Welten schaffen: Wunder, The Gentleman Losers – zu diesen meinen Lieblingsdingen zählt nun auch Nala Sinephro, aber auf einem anderen Level.

Wie sie es mit ihrer grandiosen Band und Orchester schafft, opulente elektronische Musik ohne Computer zu machen. Diese dezenten und warmen Energien – das ist Komfortzone und musikalischer Safe Space zugleich. Ich bin für die nächste Zeit versöhnt. „Endlessness“ ist gerade wegen seiner Zurückhaltung auch ein Statement. Ich will kein Oasis oder Dynamic Pricing, keine weitere Geschichte über Taylor Swift, keinen Puff Daddy, keine Schlägerei bei Jane’s Addiction. Ich will, dass wir alle mal den Schnabel halten und wundervolle Musik hören, die uns für 45 Minuten Algorithmen, KI, Performance und Selbstdarstellung vergessen lässt. Nala Sinephro will man auch deshalb immer und immer und immer wieder hören.

Plattenkritik: Nada Surf – Moon Mirror (New West)Let there be Indierock

Plattenkritik: Monolake – StudioDer neue Kanon der elektronischen Musik