Plattenkritik: Nala Sinephro – The Smashing Machine (Warp)Chaos. Ordnung. Stille.

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Die bisherigen Alben der Harfinistin und Multi-Instrumentalistin auf Warp waren dringliche Werke der Stille. „The Smashing Machine“ ist ihr erster Soundtrack. Der Film erzählt die Geschichte des Mixed-Martial-Arts-Kämpfers Mark Kerr. Der Musik tut das keinen Abbruch, im Gegenteil.

Soundtracks sind immer dann gut, wenn sie auch ohne Bewegtbild Sinn ergeben. Ich habe das schon oft geschrieben, die Prämisse gilt nach wie vor. Das Grummeln und Grollen, der Kitsch, das effektheischende Underscoring – das muss schon unfassbar kicken, damit es auch unter dem Kopfhörer funktioniert. Oder man macht es wie Nala Sinephro, die eben nicht wie die „Profis“ für die Leinwand komponiert, sondern sich ihre ganz eigene Sprach bewahrt und das Ergebnis erst dann passend macht für den Screen. Ich habe den Film über den Martial-Arts-Kämpfer Mark Kerr nicht gesehen. Ich habe auch nicht vor, ihn mir anzuschauen, mich interessieren Kampfsport und die Geschichten der Wrestler:innen beim besten Willen überhaupt nicht. Interessant ist aber, wie sich eine Künstler:in, die in ihrer Musik das Sanfte und oftmals auch Stille zelebriert, sich diesem Thema nähert.

Porait von Nala Sinephro

Nala Sinephro | Foto: Tofjan

Sinephros Musik bedeutet mir viel. Der ganz eigene Kosmos aus Instrumenten, Arrangements und Stimmungen kickte wunderbar mit einem Soft Pedal der Extraklasse. Dass sie auf Warp veröffentlicht, ist so merkwürdig wie folgerichtig. Den Schwenk nach Hollywood meistert die junge Komponistin selbstbewusst und resilient. Der Film ist bestimmt nicht besser, als ich ihn mir vorstelle – wahrscheinlich noch viel schlimmer. Aber immerhin ist es Warp gelungen, Sinephros Musik als Album zu veröffentlichen, ohne die Shit-Songs, die Cues für die Popcorner:innen, berücksichtigen zu müssen.

Natürlich ist der Titeltrack kraftvoll, wild und genau richtig unübersichtlich. Morgan Simpson spielt das Schlagzeug, als gäbe es kein Morgen in diesem luftdicht verpackten Aufnahmestudio, transformiert die Bewegungen des Kampfrings in wattierte Improv-Deepness. Danach scheint sein Job erledigt. Denn der Rest des Soundtracks klingt einfach wie eine neue Platte von Sinephro, die sich gar nicht dafür zu interessieren scheint, was auf der Leinwand tatsächlich stattfindet, sondern eher für das – viel besser – was nicht geschieht. Oder eben also so kontrastiert und abstrahiert, dass es eh egal ist. Gemeinsam mit den Musiker:innen James Mollison (Saxophon), Nubya Garcia (Saxophon, Flöte), Sheila Maurice-Grey (Flügelhorn) und Lyle Barton (Rhodes, Synthesizer), Mark Mollison (Gitarre), Dwayne Kilvington (Synth-Bass) und den Streicher:innen von Orchestrate stellt Sinephro mit „The Smashing Machine“ ein nicht nur kohärentes, sondern in der Fläche beeindruckendes Werk zur Disposition, das die Einzigartigkeit ihres kompositorischen Ansatzes unterstreicht. Man mag dafür nicht immer in der passenden Stimmung sein, aber das gilt für jede Art von Musik. Sinephro beherrscht das minimale Glitzern, weiß um das Miteinander von der Kombination aus spielerischer Freiheit und situativer Dringlichkeit. Und hat dabei immer einen Subbass im Ärmel, der die Gefühlswelt noch weiter durcheinanderbringt. In aller Stille. Trotz Chaos.

Nala Sinephro spielt am 28. Oktober im Kammermusiksaal Berlin. Tickets

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