Plattenkritik: Mario Verandi – Face Against Sky (Play Loud! Productions)Ambitronica

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Große Geste mit noch größerer Wirkung: Mario Verandi träumt Ambient aus einer längst vergangenen Zukunft neu.

Ich habe etwas für opulenten Ambient übrig. Ambient, der nicht experimentell ist oder sein will, sondern üppig orchestriert keinen Zweifel an der Science-Fiction-Kuscheldecke zulässt. Es muss eben nur passen, darf nicht übertrieben daherkommen und stattdessen die Fettnäpfchen auf diesem musikalischen Parcourlauf elegant umschiffen. Das ist natürlich alles Geschmacksache und liegt immer im Auge der Betrachtenden, mit etwas Glück werde ich bei solcher Musik aber immer noch zum Sternengucker. Mario Verandi hat so ein Album produziert.

Den argentinischen Komponisten und Wahlberliner hatte ich bislang noch nicht entdeckt. Neben zahlreichen Klanginstallationen und eher konzeptuell anmutenden Arbeiten hat er bereits viele „reguläre“ Alben veröffentlicht. „Face Against Sky“ ist sein drittes für das Berliner Label Play Loud! Productions. Dichte und doch luftige Soundscapes, oft ein wenig düster anmutend, schaffen einerseits Atmosphären, die den Hitzeschild jeder Raumkapsel mühelos duchdringen, sind dabei aber – wenn auch über weite Strecken wohlklingend – mindestens so weit von klanglichen Klischees entfernt wie die Erde vom Mond. Verandi spielt mit Erinnerungen an eine Zeit, in der alles langsamer vonstatten ging und Swoosch aus dem Synthesizer noch für Kribbeln sorgte. Das ist die eine Seite. Die andere wird bespielt von akustischen Instrumenten, deren Klang im Mix jedoch eher selten also solche zu erhören sind, also mithilfe von Studiotechnik einen neuen Charakter bekommen haben. Für diesen Teil – Bassblockflöte, Helder-Tenor und Kontrabassblockflöte – ist die Musikerin Franziska Salker zuständig. Auch wenn das Elektronische überwiegt: Der Klang der Flöten fügt den Tracks von Verandi eine neue Ebene hinzu, gerade weil er so kaschiert mitläuft, bzw. ganz anders klingt als man sich das gemeinhin vorstellt. Musik, die sich nicht sofort in ihre inhärenten Bestandteile zerlegen lässt, war und ist ja sowieso die beste. Faszination muss nicht immer entzaubert werden.

„Face Against Sky“ ist ein seltenes und Mut machendes Beispiel dafür, wie tradierte Stimmungen im Laufe der Dekaden nicht verblassen müssen, sondern im Raum-Zeit-Kontinuum immer wieder neue Reibung bekommen. Mit Sternenstaub.

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